Nachgehakt und Nachgefragt

Inside Fasnet Aitrach

Hausbesuche bei Aitracher Originalen

von Gabriel Jehle und Christian Zimmermann

Einleitung:

Zusätzlich zur detaillierten Aufarbeitung unserer Zunftgeschichte im Rahmen unseres fünfzigjährigen Jubiläums, wollten wir uns ganz gezielt mit vier besonderen Aitrachern treffen. Das jahrzehntelange Engagement dieser vier hat die Aitracher Fasnet zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Unter anderem diesen vier Originalen haben wir es zu verdanken, in der heutigen Form Fasnet feiern zu können. Wir sind dankbar, als junge Generation die Chance zu haben, im persönlichen Austausch von Euch und Euren Erfahrungen lernen zu dürfen. So können wir die Fasnet hoffentlich in Eurem Sinne weiterführen. Wir können Euch gar nicht genug danken, für das was ihr über all die Jahre geleistet habt! Vielen Dank auch dafür, dass Ihr Euch für die sehr interessanten und lustigen Gespräche Zeit genommen habt.

Hans Katzenberger:
Ehrenvorsitzender TSV Aitrach, Träger der Bürgermedaille der Gemeinde Aitrach,
Zunftmeister 1969 – 1981, 1. Vorsitzender TSV Aitrach 1971-1981, 1987-97, u.v.m.

Von Hans wollten wir wissen, wie sich das Prinzenpaar und die Garde in den Anfangsjahren behaupten konnten und inwieweit es Probleme gab, wegen der Vermischung von rheinischem Karneval, bairischem Fasching und der alemannischen Fastnacht.

Prinzengarde und Prinzenpaar gab es bereits seit Anfang der 1960er Jahre, also vor Gründung der Narrenzunft und des Alemannischen Narrenrings (ANR). Der Aufschwung der Aitracher Fasnet kam vor allem wegen besagter Prinzengarde und dem Prinzenpaar zustande, wegen denen man zu vielen Bällen in der Region eingeladen wurde. Hans setzte sich für die Beibehaltung von Prinzenpaar und Garde ein und konnte das beim ANR auch schließlich so durchsetzen. Einige Stimmen im Ring bezeichneten diese Elemente als „karnevalistischen Mist“. Es wurde ein Kompromiss geschlossen: Im alemannischen Stammgebiet in Richtung Bodensee trat die Narrenzunft nur mit Hästrägern und ohne Garde und Prinzenpaar auf, in unserer näheren Umgebung waren sie mit dabei. Heute haben viele andere Zünfte im ANR auch Garden und Prinzenpaare, hier kann man Aitrach zusammen mit der NZ Nibelgau aus Leutkirch als Vorreiter bezeichnen. Zusätzlich gab es Diskussionen, da die Narrenzunft Aitrach eine Abteilung des TSV Aitrach war und bis heute noch ist. Diese Konstellation einer Narrenzunft innerhalb eines Sportvereins ist deutschlandweit einzigartig. Auch in dieser Angelegenheit regelte Hans Katzenberger als Zunftmeister und Vorsitzender des TSV in Personalunion alle aufkommenden Fragen und setzte sich schlussendlich durch.

Was war aus deiner Sicht die größte Veränderung während deiner Amtszeit als Zunftmeister?

Der Bau der neuen Turn- und Festhalle durch die Gemeinde war ein riesiges Geschenk für die Narrenzunft, denn die alte vereinseigene Turnhalle im Ortsteil Marstetten war in einem maroden Zustand. Die sanitären Einrichtungen ließen mehr als zu wünschen übrig, heute kaum vorstellbar. Teilweise war nicht einmal die Zufahrt zur Halle möglich, was am Zustand des unbefestigten Weges lag. Ein undichtes Dach sowie vernagelte Fenster konnten auch durch eine aufwendige Deko nicht wettgemacht werden. Die Leidenschaft für die Dekoration wurde in der neuen Halle fortgeführt und es wurden neue Maßstäbe in der Region gesetzt, sodass die Aitracher Fasnet erneut einen kräftigen Aufschwung erlebte.

Wie kam es zu den jährlich wechselnden Mottos?

Das gab es in der alten Halle schon und wohl eines der ersten Mottos lautete „Südsee“. Auch die Mottos kamen dann in der neuen Halle durch die aufwendige Deko richtig zur Geltung. So hat sich das einfach entwickelt, ohne dass man dies explizit angestoßen hätte.

 

Franz Weishaupt:
Ehrenmitglied TSV Aitrach,  Träger der Bürgermedaille der Gemeinde Aitrach, 1. Vorsitzender TSV Aitrach 1982-1987, „Vater des Roiweible“, u.v.m.

Uns interessierte es, was Franz dazu animiert hat, sich bei der Suche nach einer geeigneten Dorfmaske für die Aitracher Narrenzunft so aktiv einzubringen, obwohl er noch nicht als Narr aktiv war.

Als man während der Gründungszeit des alemannischen Narrenrings auf der Suche nach einer Figur für eine Maskengruppe war, wurde der Lehrer Franz mit der Aufgabe betraut. Franz war als Leiter der Abteilung Leichtathletik im Ausschuss des TSV und nahm den Auftrag gern an, da er immer schon Spaß am „Suchen und Gestalten“ hatte. In der Allgäuer Sagenwelt wurde er dann fündig und stieß auf das Roiweible. Die Schwester von Franz nähte den ersten Flickenkittel. Die damals noch deutlich kleineren Flicken stießen bei den Aitracher Näherinnen wegen des Aufwands jedoch nicht auf Gegenliebe, weshalb man diese auf die heutige Form vergrößerte.

Zusammen mit Franz haben wir die Sage im Allgäuer Sagenbuch nachgelesen. Den dort erwähnten Filzhut hat man aus praktischen Gründen weggelassen. Laut Franz war das Erfinden des Roiweible aber nur die halbe Miete. Die Tradition über Jahrzehnte zu bewahren und zu entwickeln sei die eigentliche Herausforderung.

Nebenbei bemerkt: Bevor er das Roiweible fand, stolperte Franz über die Figur der Kellaweible. Die Sage des Roiweibles gefiel ihm aber besser und somit stellte er dieses dem Ausschuss vor. Als man dann in den 1980er Jahren auf der Suche nach einer zweiten Maskengruppe war, lag das Kellaweible bereits fertig bei Franz „in der Schublade“.

Wie kam’s zu unserem Narrenruf „No it hudla – Ofanudla“?

Franz‘ Lebensphilosophie zu jener Zeit war „bloß it hudla“. Auf der Suche nach einem passenden Wortspiel kamen ihm die Ofanudla in den Sinn. „Bloß“ wurde gegen „no“ getauscht, somit war der Narrenruf geboren. Gerade weil ein Ausschussmitglied den Spruch für „saubleed“ gehalten hat, wurde er genommen. Früher wurde jede 5. Ofanudel von Dorfbäcker Otto Wirbel mit Holzwolle gefüllt, was aber mit dem Lebensmittelgesetz nicht wirklich vereinbar war und deshalb wieder eingestellt wurde.
Zudem fanden wir heraus, dass Franz selbst nie ins Häs schlüpfte, weder als Roi- noch Kellaweible. Er hielt sich mit seiner organisatorischen Arbeit im Hintergrund und war auch als Vorsitzender des TSV von unschätzbarem Wert. Das handwerklich begabte Multitalent kümmerte sich um die Hallendeko, entwarf in Handarbeit Orden, Jubiläumsandenken aus unterschiedlichsten Materialien und war kurzum an allen Fronten aktiv.

 

Karl Münsch:
Dorfikone, Tausendsassa, Hansdampf in allen Gassen, Fasnets-Butz, Träger der Bürgermedaille der Gemeinde Aitrach… Münscha Karle kann man nicht beschreiben, man muss ihn erleben!

Vom wahrscheinlich größten Verfechter der Dorffasnet, wollten wir wissen wie diese vor der Gründung der Narrenzunft aussah.

Karle erinnert sich, dass er 1929 das erste Mal bei minus 30 Grad im Alter von fünf Jahren an der Aitracher Dorffasnet teilnahm. In den Jahren danach kam es durch die Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit dazu, dass keiner mehr Interesse hatte einen großen Umzug zu veranstalten, Hausbälle in den Wirtschaften haben dennoch stattgefunden. Während der Zeit des Nationalsozialismus ist die Aitracher Dorffasnet immer mehr eingeschlafen. Die jungen Leute um Karl Münsch wollten aber unbedingt Fasnet machen. So ging man zum Beispiel als Tanzbär verkleidet zum Kaffeekränzle ins Rössle. An der Chaussee trafen sich die Frauen des Dorfes während der Fasnet, „die hont au oimol im Johr futt derfa“. Trotz der Bälle in den Wirtschaften war für die jungen Leute klar, dass wieder ein Umzug hermuss. So wurden Plakate gemalt, aufgehängt und beim Kinderumzug marschierten und sangen alle Schüler. Die Fasnet wurde auch in den schwierigen Jahren immer etwas hochgehalten, da die Fasnet immer „in de Leit gelebt“ hat. So wurde sogar bei einer HJ-Veranstaltung, statt der von der Partei gewünschten Propaganda, Sketche und Witze aufgeführt. Nach dem Krieg begannen Karl Münsch und Otto Wirbel mit dem in Aitrach ikonischen Horex-Motorrad (Baujahr 1922) und Trompete Werbung in den umliegenden Dörfern zu machen. Die Bevölkerung hatte nach den Kriegsjahren Lust und eine regelrechte Sehnsucht auf Feste feiern und auf „Fasnet machen“. Die Umzüge gingen meist von Wirtschaft zu Wirtschaft und so bahnte man sich den Weg von der Bahnhofsrestauration über Löwen, Stern, Hirsch und Rössle durch das Dorf. Und jeder hat das gemacht, was ihm gerade in den Sinn kam. So kam es zu allerlei „Viechereien“. Mit der Gründung der Narrenzunft wurde das „dann in die richtigen Bahnen gelenkt“ und man sicherte sich auch rechtlich ab.

Auch zur Entstehung unserer Zunft-Hymne – dem Roiweible-Lied – haben wir Karle befragt.

Das von Karl komponierte Roiweible-Lied entstand aus dem Wunsch, wie andere Zünfte auch ein eigenes Zunftlied zu haben. Es wurde bewusst eine tanzbare Melodie gewählt, da es kein Marsch werden sollte. Das Lied spielte er uns noch auf der Heimorgel vor und wir sangen gemeinsam. Gegen die Neuauflage „Ofanudla reloaded“ hatte er nichts einzuwenden.

Thema Schusterstube:

Wie lang genau er seine Schusterstube schon für Freunde und Bekannte geöffnet hat, kann nicht mit Sicherheit belegt werden. Der Grund ist aber klar, irgendwann war das heimische Wohnzimmer einfach zu klein. Ein Besuch in der Werkstatt vom „Münscha Karle“ ist aber seit locker 30 Jahren ein Muss für jeden waschechten Aitracher Fasnets-Butz.

 

Erich Jehle:
Dienstältester Narr der NZ Aitrach, ehem. Gruppenführer der Roiweible, Zunftrat, Stellvertretender Zunftmeister unter Richard Striegel, uvm.

Warum wurde das Zunftrats-Häs vom Karnevalskostüm in die heutige Form geändert?

Dies entstand in Anlehnung an die Berufskleidung der Flößer, da Aitrach früher sehr bekannt für die Illerflößerei war und man weg wollte vom rheinischen Karneval. Seit 1984 haben wir ein zur Aitracher Handwerkstradition passendes Häs für unseren Zunftrat.

Wie kam das Aitracher Illerfloß als Umzugswagen zustande?

Vorläufer des Illerfloßes war ein Umzugsfahrzeug mit der Burg Marstetten als Motiv. Dieses passte aber nicht mehr zu den neu geschaffenen Flößer-Häsern. Nachdem die Idee klar war, wurde überlegt wie man einen solchen Wagen bauen könnte. Erich war hier treibende Kraft und ein gebrauchter Ladewagen wurde besorgt. Dieser wurde demontiert und auf der Plattform halbierte Baumstämme und Baumscheiben angebracht, sodass der Wagen heute aussieht wie ein echtes fahrendes Floß. Auch der Sicherheitsgedanke kam nicht zu kurz, ein umlaufendes Schiffstau sorgt dafür, dass die Zunfträte sicher auf dem Wagen stehen können und keiner über Bord geht. Gebaut wurde der Wagen bei Jehles auf dem Hof „im Rank dussa“.

Heute ist Erich bei den Zunfträten aktiv, das war aber längst nicht die einzige Station in Erichs Narrenlaufbahn.

Als Hirtenbube war er mindestens ein Jahr als Vorgruppe der Roiweible unterwegs, bevor er eine Maske bei den Roiweible erhielt. Erich war im Anschluss über 5 Jahre Gruppenführer der Roiweible und danach im Elferrat. Seit der Elferrat in den Zunftrat umgewandelt wurde ist Erich bei diesen noch immer aktiv. Fasziniert hat ihn in seiner Anfangszeit die organisierte Fasnet und die Mischung aus Aitracher Originalen und Persönlichkeiten, die das Narrenwesen geprägt haben. Auch die Straßenfasnet und die Fasnet in der alten Turnhalle hat Erich miterlebt. Deshalb setzte er sich auch dafür ein, dass in Aitrach nicht nur Maskenträger am Narrensprung teilnehmen, wie bei der schwäbisch-alemannischen Fasnet üblich, sondern auch Wagen und Fußgruppen aus dem Dorf. Hierzu mobilisierte er über Jahre hinweg Aitracher Firmen, Vereine und Privatpersonen. Dies gepaart mit vielen Musikgruppen macht für Erich den Reiz an der Aitracher Fasnet aus.

Wieso bist du nach 50 Jahren noch immer mit so viel Herzblut dabei?

Erich möchte die Aitracher Fasnet weitergeben an die nächsten Generationen. Ihm ist das Miteinander sehr wichtig und, dass „Alte und Junge gemeinsam Fasnet machen“. Deshalb hat er noch immer die gleiche Freude an der Fasnet wie damals und hofft, dass er gesundheitlich noch ein paar Jahre weitermachen kann.

Wir wünschen es dir und freuen uns drauf!

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